Heinrich-Böll-Siedlung Pankow
Die Heinrich-Böll-Wohnsiedlung im Norden Berlins setzte in den 1990er Jahren Maßstäbe im ökologischen Bauen. Im Rahmen einer vom Senat beauftragten Studie entwarf unser Büro in Zusammenarbeit mit J. Eble ein innovatives, ökologisches Konzept als Modellprojekt für den sozialen Wohnungsbau, dessen ökologische und bauliche Qualität dadurch ausführlich dokumentiert ist.
1993 wurde die Architektenarbeitsgemeinschaft W. Brenne und J. Eble mit der Planung der Wohnsiedlung auf dem Gelände einer ehemaligen Großgärtnerei in Pankow beauftragt. Auftraggeber war die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft GSW mit Hans-Jörg Duvigneau als Akteur innerhalb des Unternehmens. 1994 wurde der zweite Bauabschnitt im laufenden Planungsprozess zum Modellprojekt für ökologisches und gesundes Wohnen im Sozialen Wohnungsbau erklärt. Der Berliner Senat finanzierte ein umfassendes, ökologisches Konzept und eine Umsetzungsstudie, um einen hohen ökologischen Standard im geförderten Wohnungsbau zu etablieren. Umweltaspekte und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen waren unter der Fragestellung „Wie viel Ökologie ist im engen Kostenrahmen des sozialen Wohnungsbaus machbar?“ gleichwertig zu berücksichtigen.
Zwei Ansätze, im Konzept auch „Öko-Bausteine“ genannt, waren entscheidend: das ressourcenschonende, auf die Ökologie unserer Umwelt gerichtete Bauen sowie das biologisch gesunde, auf die Gesundheit des Menschen gerichtete Bauen. Der dritte „Öko-Baustein“ war die Niedrigenergie mit Solarintegration: Mit 1.360 m2 entstand im Rahmen des Projektes die damals größte dachintegrierte Solarstromanlage auf Wohngebäuden Europas. Der Entwurf des „Ökohauses“ innerhalb der Siedlung ging noch weiter: Neben dem Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen und natürlichen Materialien wurde mit neuartigen Bauweisen experimentiert. Die Installation einer neuartigen Wandstrahlheizung führte zur Reduzierung des Jahresheizwärmebedarfs. Auch der Einsatz abschaltbarer Elektrik in den Schlafräumen sollte ein Beitrag zum gesunden Wohnen sein. Die Außenwandkonstruktionen richteten sich nach Himmelsrichtung und Funktion. So wurde eine verglaste Wandfläche an der Südseite des Gebäudes und eine „Sonnenfalle“ innerhalb des Treppenhauses geplant. Auch Hybridbauweise, welche Holz und Mauerwerk verbindet und Brettstapeltechnik, die in Zusammenarbeit mit Prof. Natter aus Lausanne entwickelt wurde, kamen zum Einsatz.Für die Entwicklung all dieser neuartigen Ansätze war die produktive Zusammenarbeit vieler Akteure nötig, zu nennen wären etwa Prof. Peter Steiger und Holger König.
Die Außenräume gliedern sich abwechselnd in einen versiegelten Hof und einen vielfältig bepflanzten Gartenhof mit Regenwassernutzungskonzept und hoher Aufenthaltsqualität. Die grünen Höfe laden mit ihrer unterschiedlichen Prägung in Wasserhof, Wiesenhof und Waldhof zu breiter Nutzung von Kinderspiel und Erholung bis hin zur Gartenarbeit ein. Jeder grüne Hof verfügt über eine Quelle – als Gestalt- und Spielelement – und um das Regenwasser aus der darunter liegenden Zisterne mithilfe von Photovoltaik betriebenen Pumpen in Bewegung zu halten. Das wiederum reduziert eine künstliche Bewässerung im Sommer und sorgt für ein günstiges Mikroklima. Auch durch die Trennung von Fußwegenetz und Fahrwegenetz wurden Außenräume mit hohen Aufenthalts- und Erholungsqualitäten realisiert.
Das Modellprojekt gilt als Erfolg. Durch die produktive Zusammenarbeit aller Akteure wurden damals neue Methoden, Systeme und Materialien innovativ eingesetzt. Es wurde Wissen generiert, die Ergebnisse dokumentiert und hinreichend interpretiert. Entstanden ist eine Umsetzungsstudie, die sich im Rahmen des Gesamtprojektes mit Planungsstrategien, Optimierungs- und Bauprozessen, Kostenanalysen sowie mit Energie- und Ökobilanzen befasst. Dr. Heinz Wirries von der GSW fasste das Projekt 2004 abschließend zusammen: „Die Experimente von heute sind die Standards von morgen.“